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Montag, 14. Januar 2008

Meine Schwester hat gestern Abend leckeres Coc au vin in zwei großen Pfannen mitgebracht, dazu gab es Endiviensalat, als Vorspeise feingehobelte Rote Beete und Pilze mit Rucola. Zum Nachtisch verspeisten wir die Reste der türkischen Süßigkeiten, Plätzchen und den Baumkuchen, den ich an Heilig Abend gekauft hatte. Er schmeckte ausgezeichnet. Mein Freund wollte eigentlich die zwanzig Kilometer dorthin zu Fuß gehen. Als ich ankam war er noch nicht da und ich machte mir Gedanken, denn draußen war es plötzlich sehr nebelig, man sah kaum die Hand vor den Augen. Eine dumpfe Welt aus Watte. Ich dachte, wenn er jetzt im Wald ist, verirrt er sich womöglich. Wenig später rief er an und sagte, daß er über das Keyboard-Spielen die Zeit vergessen hätte und nun doch mit dem Auto käme. Mein Vater erzählte lustige Geschichten. Seine Augenbrauen standen dabei weit nach oben ab, während sich die Augen vor Lachen immer mehr verengten, und mein Schwager machte einen Test mit uns. Der Test geht folgendermaßen: Er gibt mir hundert Euro, einfach so. Er würde mir auch hunderfünfzig geben, Bedingung hierfür aber ist, daß ich z. B. meinem Tischnachbarn davon abgäbe. Wieviel ich abgebe, steht mir frei, doch ich muß ihm in jedem Fall etwas geben, sei es nur einen Euro, denn nur dann würde ich die hundertfünfzig erhalten. Die Frage war nun, wie ich handeln würde, was ein jeder dem anderen in so einem Fall geben, wie er sich verhalten würde. Rein theoretisch natürlich. Die Meinungen variierten.
Käme wohl nicht auf die Idee, mir so etwas auszudenken, aber später grübelte ich noch darüber nach.
Ich war auch nicht recht bei der Sache, war überhaupt nicht da, irgendwo weit weg, blätterte im Stern und in einem Geo-Heft mit einem Beitrag über eine frühgeschichtliche Ausgrabungsstätte in der Türkei, welche die Wissenschaftler vor Rätsel stellt. Die Darstellungen und Erklärungen in dem Magazin waren ganz anderer aufgemacht, als ich vor einigen Jahren an anderer Stelle schon einmal von diesem Ort las, was mich sehr enttäuschte. Es handelte sich um eine Stätte, an der viele T-förmige Steine auf eine bestimmte Art und Weise aufgestellt waren. Das Tau. Ich glaube, in einem der Häuser in dieser Stadt sah ich einmal diese Darstellung von den kopflosen Menschen, über die ein riesiger Vogel kam. Ich las die Zeichnung damals so: Der große Vogel bringt den Menschen den Kopf. Etwas, wofür der Kopf steht.
Der Name des Ortes fällt mir leider gerade nicht ein.
Ging etwas früher, ich weiß auch nicht, es war erst acht, fuhr nicht auf direktem Weg nach Hause. Auf dem Kirchplatz vor der Kirche steht eine kleine Figurengruppe in einem Rondell, in einer Art überdachten Tempel, die ich betrachten wollte. Straßenlampen warfen orangefarbenes Licht auf das Kopfsteinpflaster des Platzes, Nebel, kein Mensch weit und breit auf der Straße. Die eindringliche Figurengruppe, sie ist aus dem 15. Jahrhundert, zeigt die nächtliche Szene am Ölberg. Die drei Apostel in ihren Reaktionen. Jesus, der vor einem Felsen kniet und zu dem großen goldenen Kelch, der auf dem Felsen steht, betend aufblickt.
Am Donnerstag Morgen fühlte sich die Handinnenfläche der rechten Hand ganz seltsam an, irgendwie dick. Wahrscheinlich lag das am Tai Ji. Vielleicht ist etwas blockiert. Als der Lehrer meine Hände befühlte, sagte er: “Eiskalt.” So wie die Füße. Die Katze hat stets warme Pfoten.

Gestern habe ich schmunzelnd auf das Bild hin gedacht: “Na, hoffentlich der Richtige.”

 

 

 

Einmal, im November, hatte ich diesen Traum. Er schockierte mich sehr, so daß ich ihn erst gar nicht aufschreiben konnte, dachte ständig daran. Ich träumte, daß ich in meinem alten Bett schlafe, diesem schönen weißen schlichten Holzbett, das mir meine Oma vermacht hatte. Das Bett steht wie früher in meinem Kinderzimmer direkt vor dem Fenster nach Norden. Ich schlafe auf meiner linken Seite liegend darin, so daß mein Gesicht dem Fenster zugewandt ist. Jede Nacht besucht mich ein Mann. Aber ich weiß nicht, wer er ist. Wenn ich schlafe kommt er durch die Zimmertüre herein, schlüpft unter meine Decke und legt sich zu mir. Ich mag ihn, obwohl ich nicht sehe, wer er ist, er ist mein Freund, mein Geliebter. Er berührt mich und ich drehe mich zu ihm hin, wende mich zu ihm um und wir schlafen miteinander. Schon lange geht das so. Meine Eltern schlafen ebenfalls in dem kleinen Kinderzimmer. Meine Mutter schwebt links etwas höher und mein Vater auf der rechten Seite des Bettes. Sie entdecken meinen nächtlichen Besuch und sind außer sich. Vor allem mein Vater ist entsetzt. Schnell beziehe ich das Unterbett neu, wechsle das verdächtige Laken, in dem ich es an beiden Enden mit weit auseinandergebreiteten Armen ergreife, in einem Zug vom Bett nehme und schließlich schnell zusammenfalte. Gleichzeitig breite ich eine alte Wolldecke über die Matratze. Diese graubeige leicht gemusterte Wolldecke kenne ich ebenfalls aus meiner frühen Kindheit. Ihr Rand ist grün eingefaßt. Tue das zusammengeknüllte Laken unter den Augen meiner Mutter möglichst unauffällig in den Wäschekorb aus Weidengeflecht für die Schmutzwäsche, der ebenfalls in dem Zimmer an der gegenüberliegenden Wand steht. Nun steht meine Mutter mit mir vor ihrem alten Schlafzimmerschrank. Sie hält einen kleinen weißen Zettel in ihren Händen hoch, der rechts und links einmal umgefaltet ist, so daß er auch einen Schrank zum Aufklappen ähnelt. Sie fand diesen Zettel von mir und liest mir vor, was ich mit Bleistift darauf geschrieben habe, dabei sieht sie mich streng an.
Da merke ich mit großem Erschrecken, daß mein unsichtbarer Geliebter ein Geist sein muß. Er hat sich auch durch Botschaften und Äußerungen in meinem Tagebuch angekündigt. Ich schäme mich zutiefst wegen dieser Ungeheuerlichkeit, bin wie gelähmt. Lange im voraus hat er, der Geist, darauf hingearbeitet, mit mir zusammensein zu können.

 

Ich verstehe es so: Der Geist, dieser Mann, ist etwas in mir, dem ich mich hingegeben habe.