Montag, 21. Januar 2008
Ein Traumbild von einem großen Album, von einer Schallplatte. Auf dem schwarzen Hochglanzcover waren vier archaische Eingeborenenmasken in den Farben schwarz, rot und hellblau um die Mitte herum abgebildet. Das Album hing rechts an einer Wand und ich nahm es mit meinen Händen ab. Es war schwer, gewichtig, ich spürte sein Gewicht in meinen Armen, und es war weitaus größer als eine herkömmliche Schallplatte, mindestens vier Mal so groß. Das Album war aus einem festen Karton mit wahrscheinlich mindestens zwei riesenhaften Schallplatten darin. (Allerdings war der Ausdruck der Masken ganz unpersönlich, also nicht so, wie ich es gemalt habe. In der Traumfrequenz und auch jetzt finde ich sie sehr interessant, sie erinnern mich an die archaischen Masken von afrikanischen Stämmen, von Indianerstämmen oder auch an Masken der Aborigines. Ich dachte, vielleicht ist die Musik dieser Stämme in dem Album aufgezeichnet. Oder vielleicht hat es irgendeine schamanische Bedeutung.)
(Die Masken sehen mir ein wenig ähnlich, finde ich, nämlich wenn ich ein Gesicht ziehe.)
Noch ein Traum vom Verreisen. Wieder einmal. Wir fahren plötzlich wohin, nämlich zu einem Ort, an dem es schön ist, und ich freue mich sehr. Wir verreisen aus dem Hotelzimmer, in dem wir wohnen, nach Portugal. Wir, das sind meine Mutter, meine jüngste Schwester und ich. Doch die Zimmerwirtin, welche im Traum meine Tante ist, sagt, daß sie das melden muß. Sie müsse da und da anrufen. Sie betätigt auch noch Tasten wie von einem Kartenlesegerät, gibt wohl dadurch unsere Abreise dem großen Chef bekannt. Wie unnötig und bürokratisch, fast wie eine Überwachung, denke ich, denn wir sind doch in sieben Tagen wieder zurück. Und eigentlich geht es niemanden etwas an, denn das Zimmer ist bezahlt. Ich lasse sogar meinen gut gefüllten Kühlschrank zurück, ferner einige Kleidungsstücke. Sehe mich auf dem Boden vor einem kleinen Regal knien und packen. Ich stecke drei Paar Schuhe in eine Art flache Tasche aus mittelbraunem Kunstleder. Darunter waren auch schon ältere Badeschlappen aus weißem Frottee mit einem kleinen Absatz. Das Zimmer war diesmal mit schlichten Holzmöbeln eingerichtet. Es wirkte nicht besonders schön, sondern schon verwohnt. Es standen zwei einzelne Betten darin. Und es gab eine separate Dusche mit Toilette. Ich bemerkte auch, daß das Türschloß des Zimmers nicht mehr funktionierte. Da war ein Halbrund wie mit einem weißen oder grünen Klebeband beklebt. Jemand machte sich am frühen Morgen von der anderen Seite daran, es auszuwechseln.
Da saß ein Mann alleine an einem Tisch, der las in einem Buch, eine Frau in einem roten Kleid auf dem Einband. Er liest in meinem Buch, er liest in mir, liest mir die Stäbe rund und glättet mich mit seinem Mund. Jetzt läuten die Glocken draußen.
Er hat eine Rosenknospe in seinem Ohr. In seinem linken.
Die Knospe bedeutet: Horch!
Bedeutet: Blühe!
Bedeutet das Lied der Natur.
Um fünf Uhr auf, da der Zug schon um viertel vor sieben ging. Mein Freund fuhr mich in die Stadt. Im Bahnhof herrschte bereits emsiger Betrieb. Menschen eilten, vor allem Schüler, Damen, Frauen, Angestellte, Männer mit dunklen Taschen. Eine Schlange vor der Theke der Bäckerei. Betrachtete die Auslagen des Buchladens.
Gestern waren wir zusammen essen, ich trank Weißwein und abschließend einen Espresso. Tat in der Nacht kein Auge zu.
Ich träumte oder bemerkte im Halbschlaf, daß meine Augen vom Schlafen vollkommen zugeklebt waren. Doch nicht mit Sand, sondern mit einer Art festen, weißen Gips, den ich dann aus den Augen und sogar von den noch geschlossenen Lidern entfernte. Ich zupfte diese dicke Schicht ab, wischte mir die harten, weißen Krümel aus den Augenwinkeln, denn sie drückten.
Am Morgen war ich immer noch nervös und aufgedreht, obwohl ich an diesem Tag fast nichts anderes zu tun hatte, als Zug zu fahren. Ihm sei das ganz unverständlich, sagte er. Ich verstehe es auch nicht. In Nürnberg blieben die Türen des vollbesetzten ICE’s fest verschlossen. Der Schaffner versuchte es mit dem Nothebel, wir Passagiere beobachteten ihn bei seinem Bemühen. Doch der Mechanismus regte sich nicht, es tat sich gar nichts. Schließlich gingen wir alle durch den ganzen Zug unter den Augen der anderen Fahrgäste auf den Sitzreihen, welche Bemerkungen machten, nach vorne, eine schier endlose Schlange, und stiegen durch die vorderste Türe aus, denn diese ließ sich zum Glück öffnen. Ich war sehr erleichtert im Freien zu sein und rannte mit bis zum Hals klopfenden Herzen zum Anschlußzug. Fuhr auch durch Karlsruhe. Einmal hatte ich einen schrecklichen Hustenreiz, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu husten und zu würgen. Mir war es sehr peinlich in das Schweigen der anderen Fahrgäste hineinzuhusten. Zu meiner Verzweiflung wurde es immer schlimmer anstatt besser, so sehr ich mich versuchte zu beherrschen. Irgend etwas Trockenes, Hartes, hing zusammen mit einem winzigen Fusel in meiner Kehle. Irgendwann traten mir die Tränen in die Augen. Am liebsten wäre ich im Boden versunken.
Ab und zu las ich in dem Büchlein, das ich mitgenommen hatte. (Eigentlich hatte ich drei Bücher dabei.) Es handelte von der Verslehre. Allerdings behauptet der Autor im systematischen Teil des Büchleins, daß der Grund, warum es Verse gäbe, vor allem die ästhetische Lust der Wahrnehmung derselben sei. Ich dachte darüber nach und konnte diese Ansicht nicht teilen, denn ich weiß sicher, daß manche Verse weit mehr transportieren und auch auslösen können als ästhetische Lust. Daß sie nämlich auch Wirkung haben können. Mitunter das tiefste Innere eines Menschen, sein Herz, zu berühren vermögen. Und manch eine Dichtung ist magisch, enthält Zauberkraft. Rudolf Meyer schreibt in seinem Buch “Die Weisheit der Deutschen Volksmärchen”, daß die Magie der Dichtung den alles zerzausenden Verstand für eine kleine Weile davonjagen kann. “Die Sprachkraft, in Rhythmus und Alliteration hinein ergossen, trug die Seele noch mächtig über sich hinaus; sie verband sie dem schöpferischen Hauch der Weltenweisheit.” Und über das Märchen Die Gänsemagd schreibt er: “Die Königstochter kann den Wind beschwören. Sie hat Zaubergewalt über den Atem durch das von Götterkraft erfüllte Wort.” Ja, und manche Dichtung ist heilig. Heiliges Lied.
Im Büchlein über die Verslehre las ich ferner, daß diese Lust nur im Augenblicke der Wahrnehmung sei, weshalb man zum Beispiel ein schönes Bild immer wieder betrachten möchte. Auch das stimmt nicht ganz, finde ich. Denn es gibt die Resonanz. Den Anklang. Schwingung. Auslöser sein. Verbinden. Verbunden sein. Wort schafft Verbindung. Schafft Wirklichkeit.
Es handelte sich in jedem Fall um einen sehr theoretischen und schwer zu lesenden Text.
Eine obdachlose Frau zog draußen im kalten Wind einen leeren Bierkasten hinter sich her, während ich wartend und frierend hinter der Glasscheibe der Bahnhofstüre in meinem grauen Damenmantel stand, der mir zu eng ist. Auf der Rückfahrt wurde ich einmal so müde, daß ich halten mußte. Schlief sofort ein. Daheim angekommen fand ich ein Kalenderblatt vom vergangenen Wochenende auf meinem Schreibtisch, das mir meine Mutter hingelegt hatte. Ich habe ihr nämlich einen Kunstkalender geschenkt und sie gebeten, mir die abgerissenen Blätter mit den Bildern der einzelnen Tage hinterher ebenfalls zu zeigen, was sie gerne tat. Die Hl. Elisabeth und eine hl. Märtyrerin, ein Gemälde von Matthias Grünewald, war auf dem Kalenderblatt verbunden mit einem Hinweis zu der Ausstellung “Grünewald und seine Zeit” in Karlsruhe abgebildet.
(Ich habe das erst heute, also am Samstag, ganz fertiggeschrieben.)