Montag, 13. Dezember 2010
Advent
Erst so

dann so

Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,
Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin - bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke
Der Tannenbaum aus goldenem Licht ist durch die Hilfe des Regenbogensterns aus der ebenfalls goldenen Spiegelfläche emporgewachsen. (Zu diesen Bildern gehören auch die beiden Bilder vom 17. und vom 21. Oktober.)
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Ich träumte von einem Lamm, das ganz nahe bei seiner Mutter lag. Es hob seinen wunderbaren Kopf und sah mich mit seinen großen und unendlich lieben Augen lang und voller Schmelz und Unschuld an. Es schien, als sei es zugleich ein junges Kamel. Ein Kamellamm. Und seine Mutter war ebenfalls ein Kamel, zugleich aber auch ein Mutterschaf.
Ein weißer Vorhang, durch dem Licht fällt. Darauf Rosen gestickt.
Donnerstag, 16. Dezember 2010
Ein Freund schrieb mir etwas zu den beiden inneren Bildern zum Advent weiter oben, die aus einer Meditation stammten. Er schrieb, daß sie für ihn den tieferen Gedanken der Adventszeit bildlich darstellen: den Tod in schönen Farben. Dies meine, daß wir in dieser besinnlichen und stillen Zeit lernen und erfahren sollten, von Unnützem und Unwichtigem Abschied zu nehmen. Ein “Sterben”-lassen von diesen Gewohnheiten.
Samstag, 18. Dezember 2010
Wenn Sie mit einer Blume zusammen sind...

Honigkuchen
Sonntag, 19. Dezember 2010
Ich träumte, daß mir jemand meine Kosten senkt bzw. schenkt. Meine Schulden senkt. Das war die unglaubliche Summe von 30 Mrd. Euro! Ein Mann, glaube ich, sagte dies. Da war ich sehr froh.
Dienstag, 21. Dezember 2010
Besuch von einer kleinen Meise
Am Abend habe ich unverhofft Besuch bekommen. Nämlich von einem kleinen Vogel, einer Meise. Und das ist wirklich wahr.
Erst wunderte ich mich über das leise Pochen im Zimmer. Tok. Tok. Tok.
Woher rührt nur dieses Geräusch?, fragte ich mich. Von dem Heizkörper? Oder habe ich gar seit neuestem Mäuse?
Während ich am Küchentisch stand und Teig für Plätzchen knetete überlegte ich weiter. Auf einmal strich mir die kleine graugetigerte Katze um die Beine und sah mich dann mit ihren großen Bernsteinaugen an. Sie maunzte einige Laute. “Warst du das?”, fragte ich sie. “Du warst das also.” Ich hantierte weiter.
Später stand ich eine Weile vor der Terrassentüre und sah sinnierend in den Schnee hinaus, der jetzt am Abend so schön blau schimmerte. Da saß doch eine kleine Meise auf dem Bretterboden genau vor der Türe! Eine Kohlmeise! Mit frechen schwarzen Knopfaugen! Und jetzt pochte sie wieder, pochte mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe!
“Was willst du denn?”, fragte ich sie überrascht lachend.
Leise schob ich dann die Orchideen, den Bubikopf, worin ein türkisblauer Kolibri aus Metall aus China an einer langen dünnen Stange hin und her schaukelte, und den bunten Porzellanhahn beiseite, um die Türe öffnen zu können. Die kleine Meise ließ sich nicht lumpen und nach einer Bedenkpause sprang sie tatsächlich vorsichtig in die warme Stube. Sie hat dann alles genau untersucht. Hat sogar vom Wasser aus der Katzenschüssel getrunken. Flog von der Dunstabzugshaube auf den knospenden Kirschbaumzweig in einer Glasvase darunter. Und wieder zurück. Auf einmal war sie munter! Auf die Postkarte mit dem Seehundbaby von der Ostsee, die mir einmal die Kinder meiner Schwester aus dem Urlaub geschickt haben. Ich bin so traurig ohne Dich, steht in roter Schreibschrift darauf, genau unter dem Seehundbaby. Die Rose, die ich getrocknet habe und die ebenfalls dort oben lag segelte sanft herab. Auf die bereits in Zellophan verpackten Honigkuchen. Die kleine Meise war eifrig beschäftigt alles zu erkunden. Sie flog auf meine Tasse mit dem Tee. Hob ihren Schwanz. O je, den kann ich jetzt nicht mehr trinken! Auf den Krug. Auf den Tisch. In den Blumentopf. Pickte in der Erde. Jetzt war sie ja wirklich total munter geworden! Das Teelicht auf dem Eßtisch machte sie neugierig. Beinahe hätte sie es mit dem Schnabel unter Aufbietung all ihrer Kräfte aus dem silbernen Töpfchen gezerrt. Das war ein Anblick für Götter, wie es da so breitbeinig balancierte. Ich mußte darüber sehr lachen. Auf der anderen Seite konnte ich es gar nicht so recht fassen, daß da wirklich eine Meise zu Besuch bei mir war, noch dazu am Abend. Sie untersuchte die leeren Flaschen im Regal. Pickte geschäftig ohne jede Scheu alle Brösel vom Küchenboden auf, so als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan und naschte von den Sonnenblumenkernen, die ich ihr vorsichtig hingeworfen habe. Einmal flog sie sogar auf die mit Meisenfett gefüllte Kokosnußschale um davon zu naschen, die ich ihr in meiner Hand hingehalten habe
Später verließ ich das Zimmer und öffnete wieder die Balkontüre. Doch ihr schien es hier zu gefallen. Denn als ich wiederkam war die kleine Kohlmeise immer noch da. Dann ließ ich sie noch einmal alleine. Jetzt war sie verschwunden. Ich suchte alle Ecken ab, lugte unter jedem Stuhl, guckte in jede Ritze.
“Da bist du ja!”
Es war kaum zu glauben, die kleine Meise hatte es sich mitten im Adventskranz auf dem Eßtisch für die Nacht gemütlich gemacht und schlief bereits tief und fest, ganz aufgeplustert und fast verborgen von seinem schützenden Tannennadeldach.

Die kleine Meise schläft
Mittwoch, 22. Dezember 2010
Die kleine Meise ist ein Langschläfer und als ich gegen sieben Uhr in die Werkstatt bin habe ich sie - noch im tiefen Schlummer - zusammen mit dem Adventskranz vorsichtig ins Freie auf die Terrasse gestellt. Zum Glück ist es jetzt auch wieder milder geworden. Später, als meine Mutter einmal nach ihr sehen wollte, war sie verschwunden. Gegen Mittag sah ich sie einmal bei der Korkenzieherweide fliegen. Und am Abend, pünktlich zur hereinbrechenden Dämmerung, saß die kleine Meise dann wieder wartend vor der Türe.
Donnerstag, 23. Dezember 2010
Gebet:
Herr im Himmel
behüte meine Schritte.
Weise mir den rechten Weg.
Heute ist die Luft klar, es hat leicht getaut. Es duftet nach Wasser, nach Holz. Nach Schnee.
Kurz vor Schluß habe ich die Geschäftsräume aufgewaschen. Die Türe des Warteraums zum Hof stand für einen Moment offen und als ich vom Eimerausleeren zurückkam sah ich einen kleinen, flirrenden Schatten. Die kleine Meise war hereingeflogen!
Freitag, 24. Dezember 2010
Die kleine Meise ist in der Nacht gestorben. Am Morgen habe ich sie gefunden.
Als ich am morgen die Haustüre öffnete und in den Hof trat hörte ich Gänse rufen. Und da flogen sie! Wildgänse. Sie flogen in einer bestimmten Formation am Himmel, genau über den Hof hinweg, nach Osten.
Sonntag, 26. Dezember 2010
Der Schein des
Feuers erhellt
sein Gesicht.

Im Wald
Der Falke hat eine Amsel erbeutet und fliegt mit dem schon bewegungslosen, großen schwarzen Vogel in seinen Fängen über uns hinweg.
Natur.
Ein Falke ist über uns hinweg geflogen, mit einer weißen Rose. Heut morgen träumte ich von einer weißen Rose im Schnee, erstarrt, fast verwelkt, und trotzdem wunderschön.
Der Wald ist blau mit weißem Licht. Still ist es, zwischen den Bäumen. Andacht. Tierspuren. Lachen. Rote Backen. Ein Platz für das Vöglein, im tiefen Schnee. Am Fuße eines Baumstammes. Haben ein Teelicht vor der Türe angezündet. Das stetige Plätschern von Wasser. Trinke von der Quelle. Wasser, das mir aus der hohlen Hand gereicht wird. Flocken dick wie Daunenfedern.
Im Mondkalender war zu lesen, daß in den Nächten zwischen den Jahren eine ganz besondere Energie herrsche und Spaziergänge in der Zeit zwischen dreiundzwanzig und vierundzwanzig Uhr einen anderen Menschen aus uns machen können. Nämlich den Menschen, als der wir gedacht sind.
Ich hab ein Büchlein mit besinnlichen Weihnachtsgeschichten, ein spirituelles Lesebuch, das ich einmal von einem lieben Menschen geschenkt bekommen habe, zufällig aufgeschlagen, eine Seite mit einem Text von Andrea Schwarz, in dem - in ein wenig anderen Worten - dasselbe zu lesen war wie in dem Mondkalender. Er heißt: Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr:
“(...) Und die Nächte sind “Heilige Nächte” - irgendetwas schwingt in diesen dunklen Stunden der Nacht, das berührt und anrührt. Da ist etwas, das mich liebevoll in den Arm nimmt und herausruft. Da ist es, als ob sich alles in mir darauf vorbereitet, Abschied zu nehmen, um neu zu beginnen. Da wächst etwas in mir heran, das gelebt sein will. Und dieses etwas braucht diese sieben Tage und wohl mehr noch die sieben Nächte, um an Kraft zu gewinnen. (...)”
Montag, 27. Dezember 2010
Mit seinem Atem sang er ein Lied. Beim Ausatmen. Beim Einatmen. Ein jedes Mal. Immer wieder, sich unendlich wiederholend. Eine Melodie.
Ich habe geträumt, daß ich mein Gesicht im Spiegel betrachtet habe. Zu meinem großen Schrecken war das Gesicht zusammen mit dem Hals ganz mit türkisblauer, leicht glänzender Schminkfarbe angemalt. Das sah fürchterlich aus. Ich rief nach meinem Freund, der auf dem Kanapee saß, um es ihm zu sagen. Später war es wieder normal, ganz blank und ungeschminkt.
Dienstag, 28. Dezember 2010
Das Mädchen in dem rosafarbenen, ärmellosen T-Shirt hält den kleinen Vogel in ihrer rechten Hand.
Donnerstag, 30. Dezember 2010

Sie hat mir all die wunderschönen Strohsterne geschenkt, die sie einmal an Abenden in der Adventszeit vor fast vierzig Jahren sorgfältig gebastelt hat. Nun schmücken sie den Tannenbaum.
Eisblaue Nächte mit funkelnden Sternen. Die schmale Sichel des abnehmenden Mondes über dem kleinen Platz, der auf einmal ganz feierlich wirkt. Tiefverschneite Häuser. Lichter blinken. Als läge ein goldener Schimmer über allem. Über der undurchdringlichen Bläue des Nachthimmels, die alles einhüllt. Unerklärlich, wie kommt das? Ein Jauchzen, irgendwoher, lautloser Gesang. Als jubelte es. Doch eigentlich ist es, bis auf das stetige Plätschern und Gurgeln des Baches, vollkommen still. Die Türe weit offen. Klirrende Kälte.
Am Morgen steigt die Sonne majestätisch als ein übergroßer, glutroter Ball hinter dem flachen, schneeweißen Hügeln empor. Nirgendwo ein Braun. Nur weiß. Jetzt scheint der Himmel für einen Moment durchscheinend türkisblau. Orangerote Wolkenstreifen flirren kreuz und quer. Das Blinken eines kleinen Sternes.